Kurz bevor wir uns erneut ins „Nomadenleben“ begeben, möchte ich noch ein paar Worte über unseren nunmehr fast vierwöchigen Aufenthalt hier in Serpins verlieren. Serpins, ein kleiner unscheinbarer Ort in Zentralportugal, gelegen inmitten der grünen Bergketten der Serra da Lousã am Rio Ceira.

Als wir Anfang des neuen Jahres hier her rollten, sollte dies eigentlich nur ein kurzer Abstecher auf unserem Weg Richtung Algarve werden…wir haben nicht damit gerechnet, dass daraus fast ein ganzer Monat werden würde;-)

Ein Monat voller neuer Eindrücke, herzlicher Gastfreundschaft, vielfältiger Begegnungen, interessanter Gespräche, aber auch ein Monat der Ruhe und Besinnung, des Ankommens und Verweilens, der Rückbesinnung und Neuorientierung.

Unsere Gastfamilie, die uns großzügig eine kleine Wohnung im Dachgeschoss ihres Hauses zur Verfügung gestellt hat, haben wir mittlerweile sehr lieb gewonnen. Durch unsere täglichen Begegnungen, ob im Kinderzimmer, der Küche oder im Garten sowie mehrere gemeinsame Spaziergänge und Ausflüge in die Umgebung (u.a. Picknick an der Felsschlucht Cabril inklusive Geocaching) konnten wir einander gut kennenlernen, Freundschaften entstehen lassen und uns über vielerlei Themen intensiv austauschen. Agnes ist als Kind mit ihrer Familie nach Portugal ausgewandert, ihr Mann Alvaro stammt von hier. Die beiden und ihre drei Kinder sprechen also deutsch und portugiesisch im Alltag, was für uns natürlich sehr von Vorteil ist, da zum einen keine Sprachbarriere unsere Interaktion hemmt (vor allem für unsere Kinder sehr angenehm) und wir zudem ganz beiläufig und natürlich einen Einblick in die portugiesische Sprache und Kultur bekommen. Agnes und ihre Familie sind in den letzten Wochen unsere Lotsen im unbekannten Terrain gewesen, darüber hinaus Vermittler zu anderen Familien in der Region, „Kulturbotschafter“ und nicht zuletzt häufig auch Übersetzer. Wir alle sind unheimlich froh und dankbar darüber, mit solch einer großen Selbstverständlichkeit und Offenheit von ihnen empfangen worden zu sein! Unsere Kinder sind alle fast im selben Alter und es ist eine wahre Freude zu sehen, wie sehr sie sich innerhalb dieser kurzen Zeitspanne einander angenähert und füreinander geöffnet haben. Traurigkeit und Heimweh sind auf einmal wie weggeblasen und erstmals überkommt mich eine Ahnung davon, dass „Heimat“ nicht nur der Ort ist, wo man geboren wurde und aufgewachsen ist sondern vielmehr auch da entsteht, wo man sich willkommen, aufgenommen und verstanden fühlt.

In der Zeitspanne von nur drei Wochen haben wir hier bereits so viele neue Kontakte geknüpft und herzliche Bekanntschaften gemacht, wie es „zu Hause“ (komisch, dieser Begriff passt gar nicht mehr so recht) in einem Jahr nicht passiert ist. Natürlich, wir sind reisend, suchend und sehr offen für jeden und alles „Neue“, sind in keinen stressigen Alltag eingebunden, der alle Energien auffrisst…wir sind gewissermaßen „frei“ und können uns voll und ganz diesen neuen Begegnungen widmen. Und genau das ist es doch auch, warum wir überhaupt losgezogen sind…weil wir eben nicht länger unsere Ressourcen an Dinge vergeuden wollten, die nichts mit unseren eigentlichen Bedürfnissen zu tun haben. Das heißt nicht, dass wir keine Konflikte, Streitereien und Probleme mehr haben (keineswegs!) aber wir sind näher dran am Eigentlichen und Wesentlichen.

Erwähnen möchte ich auch gern noch, dass beinahe alle Familien, die wir hier bisher kennengelernt haben, den Weg des freien Lernens miteinander gehen, also Bildung und Lernen ohne Institution Schule leben. In Portugal ist dies auf verschiedene Weise möglich, prinzipiell ist außerschulisches Lernen (Homeschooling) ein anerkannter Bildungsweg und wird auf unterschiedliche Weise behördlich genehmigt und von den Familien umgesetzt.

Um Serpins herum gibt es viele Freilernerfamilien, sowohl portugiesische als auch ausländische (zunehmend auch deutsche),das Netzwerk ist gut „ausgebaut“ und wächst stetig. Mindestens einmal wöchentlich findet ein größeres Treffen auf einem wunderschönen Grundstück im Wald statt, der Quinta de Sol, wo Klein und Groß gemeinsam eine schöne Zeit verbringen: in einem Zirkusdom nach Herzenslust turnen, toben, sich verkleiden und spielen, im Haus die Möglichkeit haben zu kochen, zu basteln oder an den Werkbänken etwas zu bauen oder draußen das weitläufige Grundstück mit all seinen Überraschungen erforschen. Als wir zum ersten Mal dort waren, kam ich mir vor wie in „Utopia“, so ergriffen, berührt und verzaubert war ich von diesem Ort und seinen Menschen. Und abermals das deutliche Gefühl, willkommen zu sein und dazuzugehören!

Einige Familien treffen sich auch „privat“, entweder an festen Wochentagen oder einfach spontan. Über Agnes haben wir z.B. Nadine und Björn samt ihren Kindern kennengelernt, die vor einem halben Jahr von Deutschland hierher gezogen sind. Oder Mandy mit Kindern, die aus Deutschland herkam auf der Suche nach gemeinschaftlichem Leben, momentan im Wohnwagen lebt und kurz vor ihrem Einzug ins eigene Haus samt Grundstück steht. Auch Susana mit Paul und Kindern, die vorher in Schottland gelebt haben und ebenfalls erst seit kurzem hier sind. Alles liebe und herzliche Menschen, die sich aufgemacht haben, ihre Träume zu leben und die trotz aller Verschiedenheit doch Eines eint: der Wunsch, ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Und wir? Mittendrin!