dsc_0041aMitte November machten wir uns von Freiburg aus auf den Weg nach Frankreich. Wir waren aufgeregt und gespannt, was uns in unserem Nachbarland erwartet…Einer meiner ersten Gedanken, als wir die Grenze hinter uns gelassen haben, war: „Bonjour tristesse!“ Die Orte, die wir anfangs durchfuhren, wirkten ein bißchen schäbig, die Landschaft war langweilig, das Wetter regnerisch und kühl, ja sogar den Kühen fehlte es an Farbe (im Osten Frankreichs gab es tatsächlich ausschließlich weiße Kühe). Je mehr wir uns jedoch Richtung Westen bewegten, desto abwechslungsreicher zeigten sich Natur und Ortschaften. Wir durchfuhren herrliche Naturparks und wunderschöne kleine Städtchen, sahen Burgen, Schlösser und Kirchen vorüberziehen und bestaunten großzügige Bauerngehöfte (die Kühe waren nun auch wieder braun oder gar schwarz-weiß).

dsc_0033Unsere ersten Herausforderungen bestanden darin, alsbald eine Prepaid-Karte zur Internetnutzung zu besorgen, einen Waschsalon aufzutreiben und ein Schwimmbad ausfindig zu machen. Dies alles gelang uns letztendlich in Chalon-sur-Saone, einer mittelgroßen Stadt irgendwo in Mittelfrankreich: Wir hatten endlich Internet-Zugang, konnten Wäsche waschen und den Kindern das Anti-Läuse-Shampoo im Schwimmbad auswaschen:-) Noch ein Wort zum Internet: die vermeintlich super günstige Prepaid-Karte, für welche wir uns nach einiger Recherche entschieden, weist einen entscheidenden Haken auf: Das Netz ist nicht flächendeckend verfügbar, an vielen Orten gar nicht oder nur ganz schwach. Wir überlegten kurz, ob wir unsere weitere Route nun entsprechend nach Netzabdeckung planen sollten, entschieden uns aber dagegen;-) Nunmehr freuen wir uns einfach, wenn Internet nutzbar ist und nutzen es dann auch ausgiebig (v.a. für Filme/Spiele sowie zur Routenplanung und Recherche, ferner für Korrespondenz). Daran gekoppelt ist natürlich auch die Frage der Stromversorgung, denn ohne Strom nützt uns auch kein Internet. Im Sommer spielte dies noch keine große Rolle, da wir die meiste Zeit draußen verbracht haben, mit Freunden zusammen waren und außerdem über unsere Solarpannels auf dem Dach mit der nötigen Energie versorgt wurden. Aber jetzt im Herbst, bei Regen und Kälte, auf uns allein gestellt in einem fremden Land, mussten wir schnell erkennen, dass wir doch häufiger als uns vielleicht lieb ist auf eine Außenstromversorgung angewiesen sind, um bestimmte Aktivitäten innerhalb des Wohnmobils gewährleisten zu können. Das führte wiederum dazu, dass wir nun vermehrt öffentliche und zum Teil kostenpflichtige Stellplätze anfahren, die teilweise Strom anbieten. Leider ist es schwierig, im Vorfeld herauszufinden, wo es Plätze mit Strom gibt, da selbst die diversen Apps, die es eigens dafür gibt, nicht immer auf dem aktuellen Stand sind bzw. nur vereinzelte Plätze auflisten. Als solide Grundlage stellte sich unser eigens für die Reise angeschaffter ADAC-Camping-und Stellplatzatlas für Europa heraus, worin zumindest erkennbar ist (mit genauen Koordinaten), wo es überall Stellplätze gibt. dsc_0031Abgesehen von der Strom-Thematik haben wir solcherlei Stellplätze auch wegen der Möglichkeit der Ver- bzw. Entsorgung (also frisches Wasser auftanken, Abwasser und Toilette entleeren) schätzen gelernt. Mittlerweile nutzen wir alle unsere Campingtoilette doch recht regelmäßig auch für größere Geschäfte und da ist es auf jeden Fall sehr von Nutzen, wenn es Möglichkeiten gibt, diese auch gründlich auszuspülen;-) Wobei es auch außerhalb der Stellplätze in vielen Ortschaften Stationen gibt, wo Wohnmobile kostenlos Wasser auftanken/entleeren können. Unterwegs in Deutschland haben wir uns öfter gefragt, wo wir denn das nächste Mal Wasser herbekommen (in unserem Fall: Tankstelle, Autowerkstatt oder von privat). Auch beim Thema Müllentsorgung schneidet Frankreich weitaus besser ab als Deutschland: es gibt überall große Mülleimer oder Container, in fast jedem Ort außerdem eine öffentliche Stelle, wo verschiedene Container für Glas, Plastik und Papier sowie Restmüll bereit stehen. Die Frage „wo werden wir unseren Müll los?“ (in Deutschland gar nicht so einfach!) müssen wir uns also hierzulande auch nicht stellen. Insgesamt bietet Frankreich eine gute öffentliche Infrastruktur und für Camper bzw. Wohnmobilreisende scheint es eine deutlich breitere Lobby zu geben als daheim.
Eine kleine Anekdote zum Thema „ungeahnte Herausforderungen“ möchte ich an dieser Stelle noch zum Besten geben: Nachdem wir in Frankreich das erste Mal Gas tanken wollten (also unsere Gasflaschen befüllen), stellte sich heraus, daß unser angeblicher Universaladapter keineswegs mit den französischen Gaspistolen kompatibel ist. Blauäugig hatten wir uns dahingehend auf die Aussage eines Bekannten verlassen, der meinte, dass wir mit diesem Adapter in ganz Europa Gas auffüllen könnten. Nun standen wir also vor dem Problem, in absehbarer Zeit keine Gasversorgung mehr zu haben, also weder kochen noch heizen zu können. Thomas recherchierte im Internet nach einem Anbieter für Gasadapter und machte einen in Leipzig(!) ausfindig (Ironie des Schicksals?). Doch wohin genau sollte die begehrte Ware verschickt werden? Nach einigen Überlegungen hatten wir mehrere Ideen: an eine Gemeinschaft, an ein Postamt, in eine Jugendherberge oder ein Tourismusbüro. Ein paar Telefonate später (geführt in einem Kauderwelsch aus mehreren Sprachen) war klar: Das Paket aus Leipzig wird postlagernd zum Postamt in Arcachon geschickt. Soweit, so gut…der Verkäufer war mit einem Versand nach Frankreich einverstanden, schön! Aber wer hätte gedacht, welche Anstrengung es erfordert, eine automatische Kaufabwicklung über ebay dahingehend zu verändern, das aus einem „nationalen Versand“ ein „internationaler Versand“ wird? Es bedurfte dazu viel Geduld und mehrerer Telefonate nach Leipzig bzw. paralleler Internetrecherche, bevor das Problem gelöst werden konnte. Meine Nerven lagen blank…zudem auch die Zeit drängte, da das Wochenende bevorstand und wir nicht wussten, wie lange das restliche Gas noch reicht. Ich konnte einfach nicht glauben, wieso es so kompliziert ist, ein Paket von Deutschland nach Frankreich zu schicken?! Aber ich bin auch nicht mit automatischen Kaufabwicklungssystemen vertraut…
dsc_0088Nachdem der Versand dann endlich in die Wege geleitet war, blieb es dennoch weiterhin spannend, da wir ja nicht wussten, ob unsere Idee mit dem Postamt auch wirklich funktioniert. Als wir dann 6 Tage später aufgeregt im „Bureau de Poste“ von Arcachon standen und unser heiß ersehntes Päckchen erhielten, waren wir einfach nur sehr froh und glücklich: endlich wieder unbeschwert kochen können und nachts keine kalten Füße mehr haben! Wir genossen anschließend noch einen wunderschönen sonnigen Nachmittag am Bassin d’Arcachon mit seinem breiten Sandstrand, den kleinen Gassen und schönen Häuschen.
So nahm diese Geschichte ein gutes Ende und wir haben an Vertrauen dazu gewonnen, dass wir auch schwierige und nicht planbare Situationen zu meistern vermögen – wenn wir nicht die Nerven verlieren;-)

Eine Auswahl einiger Dinge/Umstände, die uns hier in Frankreich aufgefallen sind und zum Staunen gebracht haben, sei nachfolgend kurz aufgelistet:

  • viele Kreisverkehre und „Stopper“ (= kleine Bodenwellen) auf der Straße
  • schlechte, undeutliche Beschilderung bei Ortsnamen
  • Achtung Maut! Einmal falsch gefahren, kommt man da nicht mehr raus..
  • grell leuchtende und blinkende Verkehrsschilder auf großen Straßen
  • 24h-Tankstellen ohne Personal (viel billiger als normale Tankstellen, bezahlt wird mit Kredit/EC- Karte)
  • 24h-Waschautomaten (bei Tankstellen/Supermärkten, sehr praktisch, waschen+trocknen in 1 Std.!)
  • riesige Einkaufsmärkte mit Namen wie „Inter Marché/ Hyper Marché/ Super U/ Hyper U/ Carrefour…“
  • in diesen Märkten tausend verschiedene Sorten ein und desselben Produkts, oft riesige Abpackungen (z.B. 1 kg Erbsen in der Büchse, meist gleich mehrere Tafeln Schokolade zusammen)
  • Tüten mit Backwaren werden von der Verkäuferin an den Enden gedreht/gezwirbelt und damit geschlossen
  • gebacken wird sehr zuckerhaltig und oft mit Pudding, süße Teilchen sehen oft besser aus als sie schmecken, klassischen Kuchen (mit Hefeteig) scheint es gar nicht zu geben, dunkles Brot ist rar
  • dafür sind Croissants und Baguette (auch im Supermarkt) lecker
  • Butter ist oft gesalzen- das kann zu eigenartigen Geschmacksverzerrungen führen, wenn man nicht darauf eingestellt ist

Obwohl vieles ähnlich wie zu Hause ist, sind es dennoch die zahlreichen kleinen Dinge, die sich unterscheiden, und die es so spannend aber auch anstrengend machen, sich zurecht zu finden.
Wir fragten uns schon mehrmals, warum wir abends so müde und erschöpft sind aber ich denke, dass es eben diese Anpassung an ungewohnte Lebensumstände (Wohnmobil+Ausland) und das Zurechtfinden in unbekannten Bereichen (z.B. Sprache) sind, die einfach sehr anstrengend sind für jeden einzelnen von uns. Hinzu kommt ja außerdem die fast täglich wechselnde Umgebung und das ständige „Sich-wieder-einrichten“ an einem neuen Platz. Zusätzlich sind da die kleinen und größeren Hürden des Familienalltags, wie Streitigkeiten untereinander, Langeweile, Heimweh, Hunger, Müdigkeit und noch allerlei mehr Befindlichkeiten, die berücksichtigt und unter einen Hut gebracht werden müssen (und das auf engstem Raum). Obwohl wir mittlerweile ganz gut eingespielt sind als „Nomadenfamilie“, empfinde ich diese Art des Umherreisens als ziemlich kräftezehrend (vielleicht nicht, wenn man allein oder als Paar unterwegs ist, aber auf jeden Fall mitsamt Familie!). Neue Kraft gibt dann z.B. ein warmer, sonniger Tag (leider bisher eher selten), der Anblick des Meeres, ein frisches, leckeres Croissant oder ein gemütlicher, gemeinsamer Filmabend.

dsc_0080Seit einer Woche nun rollen wir entlang der Atlantikküste gen Süden. Der Ozean ist wirklich wunderschön, die Wellen beeindruckend, die Strände endlos lang und fast menschenleer. Wir sind vermutlich die Einzigen, die sich um diese Jahreszeit ins Wasser trauen (von einigen Surfern mal abgesehen) aber den Spaß lassen wir uns nicht nehmen! So waren wir, wie geplant, pünktlich zu Leas 3. Geburtstag in Biscarrosse Plage am und im Meer und haben einen sehr schönen Tag verlebt, auch wenn es später heftig zu regnen anfing. Die Badeorte sind jetzt im Herbst/Winter wie ausgestorben, sämtliche Geschäfte und Restaurants geschlossen, die meisten Häuser und Appartements verschlossen und verbarrikadiert, kaum Menschen zu sehen…eine irgendwie trostlose und verlassene Atmosphäre. So überkommt mich beim Anblick dieser „Geisterstädte“ ein Anflug von Melancholie und ich bin dankbar über jeden Menschen, dem ich begegne und sei es auch nur aus der Ferne. Heute z.B. haben wir nach längerer Suche im Ort einen kleinen Laden gefunden, der geöffnet hatte, in dem die Regale aber wie leergefegt waren. Immerhin bekamen wir alles Nötige und es verkehrten dort noch andere Kunden, auch wenn es bloß 2 waren:-) Und später am Strand ging mir das Herz auf, als ich eine Gruppe Surfer im Wasser entdeckte: „Es gibt hier doch andere menschliche Wesen, wir sind nicht allein!“ ging mir durch den Kopf. Ich merke in letzter Zeit deutlich, dass mir die Gesellschaft anderer Menschen fehlt, oft reicht auch schon die Gewissheit, dass da noch ein anderes Wohnmobil in der Nähe steht.
dsc_0171Nachdem wir nun einen Monat -nach unserem längeren Aufenthalt in Leipzig- unterwegs sind und uns recht gut miteinander eingespielt und an die täglichen Abläufe gewöhnt haben, ist es nun an der Zeit, wieder mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen und unsere eigentlichen Ideen und Vorhaben zu verwirklichen. Voraussetzung dafür ist natürlich eine zeitweilige Sesshaftigkeit, was derzeit noch nicht möglich ist, da wir ja quasi auf der Durchreise sind – spätestens in Portugal werden wir dann gezielt oder auch spontan Menschen besuchen und eine Zeit lang bei und mit ihnen leben. Das ist es, was ich in diesen grauen, kühlen Herbsttagen momentan am meisten vermisse und worauf ich mich umso mehr freue! Wer weiß, vielleicht ergeben sich neue Begegnungen ja bereits in Spanien, wohin wir in wenigen Tagen weiterreisen werden? Zumindest bin ich zuversichtlich, dass es wieder häufiger Sonne gibt, je mehr wir uns Richtung Süden vorarbeiten. Und das wäre ja schon mal viel wert! Also Spanien, wir kommen… Hasta la vista!