Vor über drei Wochen nun sind wir in unserem Reisezielland Portugal angekommen, nachdem wir zuvor einen Monat durch Frankreich und Spanien gereist sind (rückblickend erscheint uns diese Zeitspanne viel länger!).

Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir fühlen uns sehr wohl in diesem Land!

Vom ersten Tag an begegnen wir fast durchweg freundlichen und hilfsbereiten Menschen, die uns willkommen heißen, sich bemühen uns zu verstehen (Englisch oder gar Deutsch wird hier viel selbstverständlicher gesprochen als in Frankreich/Spanien) und die vor allem auch den Kindern wohlgesonnen sind! Die Sonne verwöhnt uns mit frühlingshaften Temperaturen, die Landschaft ist oft atemberaubend schön, es gibt viele Berge und riesige Wälder, alles ist sehr grün. Orangenbäume leuchten am Wegesrand, in beinahe jedem Garten sprießt der Kohl und beim Spazierengehen können wir bunte Blumensträuße pflücken! Wir erfreuen uns an kleinen Dörfer mit Cafés am Straßenrand, hübschen Kirchen und eng gewundenen Gassen…Fahrtechnisch ist es zwar so manches Mal eine große Herausforderung für Thomas und unsere „Daze“ (und meine Nerven!), vor allem in ländlichen/bergigen Gebieten, aber auch hier wachsen wir mit jeder Herausforderung:-) Eine solche, nur nebenbei erwähnt, ereilte uns beispielsweise kurz nach unserer Ankunft in Portugal, als wir in einem malerischen Bergdorf namens Campo de Besteiros von unserem Navi durch eine derart enge Gasse gelotst wurden, so dass wir uns nur noch millimeterweise vorwärts bewegen konnten und beinahe zwischen den Mauern stecken geblieben wären. Den Ausflug ins noch höher gelegene Nachbardorf ersparten wir uns nach diesem (Schreckens-)Erlebnis…

Weihnachten und Silvester verbrachten wir in Coimbra, einer alten Universitätsstadt in Zentralportugal. Wir konnten mit dem Wohnmobil direkt am Rio Mondego stehen und hatten einen herrlichen Blick auf die Altstadt, die sich hügelartig vom Fluß aus erhebt und deren höchsten Punkt der alte Uhrenturm des Universitätsgebäudes markiert. Von unserem schönen Stellplatz aus erkundeten wir die Gegend, besuchten Kindermuseum, Miniaturenpark, Spielplätze, erledigten Einkäufe und machten Waschsalons ausfindig (immer wieder aufs Neue spannend, wo sich der nächste befindet!)…glücklicherweise haben wir unsere Fahrräder dabei, die wir, wann immer möglich, zur Fortbewegung nutzen. Leider scheint das auch hier in Portugal eher die Ausnahme zu sein: es gibt außer einigen Sportlern und uns wirklich kaum andere Fahrradfahrer, dementsprechend auch keine Radwege und nur wenig Rücksichtnahme seitens der Autofahrer. Wir meiden daher die Straßen und fahren/schieben meistens nur auf den (sehr schmalen) Fußwegen, sofern vorhandendennoch sind die Räder für uns nach wie vor unentbehrlich.

Kurz vor Weihnachten hatten wir innerfamiliär mit allerlei negativen Gefühlen zu kämpfen: da mischten sich Heimweh mit Sentimentalität, Traurigkeit mit Zweifeln und Ängsten, Mutlosigkeit mit Einsamkeit und Ratlosigkeit. Der Sinn und Zweck unserer ganzen Unternehmung stand zum wiederholten Mal zur Debatte, die Frage nach dem Ziel dieser Reise umtrieb uns.

Licht in diese düsteren Stunden brachte dann letztendlich die Begegnung mit einer deutschen Frau und ihren drei Kindern auf dem Spielplatz. Christiane sprach Thomas an, weil sie sein Deutsch hörte; sie unterhielten sich daraufhin lange miteinander und verabredeten ein erneutes Treffen. Bei dieser Gelegenheit lud Christiane uns spontan zum Weihnachts-Kaffee+Kuchen zu sich nach Hause ein, wo wir dann auch ihren timoresischen Ehemann kennenlernten. Die Familie lebt selbst erst seit einem Jahr in Portugal, vorher verbrachten sie viele Jahre in Ost-Timor. Für uns alle waren die gemeinsamen Stunden sehr wohltuend, die Gastfreundschaft dieser Menschen rührte uns und wir fühlten uns erstmals ein bisschen „angekommen“ und „heimelig“, nicht zuletzt deshalb, weil wir uns einfach einmal wieder in unserer Muttersprache unterhalten konnten. Ich habe diesen Aspekt des Reisens, nämlich sich nicht bzw. nur schwer verständlich machen zu können, sehr unterschätzt, v.a. auch im Hinblick auf die Kinder. Daphne z.B. war oft sehr traurig, weil sie auf dem Spielplatz niemanden zum miteinander spielen fragen konnte…umso mehr freute sie sich nun über die Bekanntschaft mit Christianes fast gleichaltriger Tochter Graciela und freundete sich auch beinahe sofort mit ihr an.

Einmal mehr wurde uns also an Weihnachten deutlich, wie essentiell soziale Kontakte sind und dass wir unsere Energien verstärkt darauf konzentrieren sollten, hier im Land Menschen kennenzulernen, Freundschaften aufzubauen und unser eigenes, neues soziales Netzwerk zu kreieren.

Weil wir uns so gut verstanden, haben wir den Silvesterabend gleich auch gemeinsam mit unseren neuen Freunden verbracht und Graciela hat sogar einmal bei uns im Wohnmobil übernachtet – ein besonderes Erlebnis für beide Mädchen! Und auch wir beiden Mütter gönnten uns zum Jahresabschluss ein besonderes Erlebnis und besuchten ein Fado-Konzert. Fado ist der traditionelle portugiesische Volksgesang und in Coimbra hat sich mit dem Fado de Coimbra eine ganz besondere Stilrichtung dieser Gesangskunst herausgebildet. Die Musik ist geprägt von einer großen Portion Melancholie, von Sehnsucht, Heim- und Fernweh – was gab es Passenderes zum Jahresende und zu meiner momentanen Gemütsverfassung;-)

Nach zwei Wochen Aufenthalt in Coimbra, unterbrochen von einem Besuch des berühmten Wallfahrtsortes Fatima, fühlten wir uns bereit und nunmehr auch gestärkt für neue Abenteuer.

Bevor wir weiter Richtung Süden rollen, wollten wir unweit von Coimbra noch auf einen Plausch bei einer deutsch-portugiesischen Freilernerfamilie vorbeischauen, die wir via Facebook kennengelernt haben…und siehe da, die nächste freudige Überraschung erwartete uns! Aus einem kurzen Besuch zum Kaffee ist eine Einladung zum längeren Verweilen in der Gästewohnung geworden, die wir dankend angenommen haben. Wir genießen also nun unerwarteterweise die Vorzüge einer Wohnung, erfreuen uns an der Gesellschaft von Agnes und ihrer Familie, lernen durch sie andere Freilerner in der Umgebung kennen und können uns auf die Weise ganz entspannt auf diesen neuen Ort hier einlassen. Die Kinder haben die Möglichkeit, im Haus oder im Garten mit den anderen Kindern zu spielen, wir dürfen Räume und Materialien frei nutzen, haben alles was wir brauchen direkt vor Ort und müssen nicht erst einen Wasser- oder Stromanschluss bzw. den nächsten Waschsalon und Spielplatz ausfindig machen:-) Dieser Umstand ist ein wahres Geschenk! Er ermöglicht uns den Freiraum, uns auch einmal Dingen zu widmen, für die ansonsten im Reisealltag oft Zeit und Ruhe fehlen (Steuererklärung, Postbearbeitung, Recherchen, Blogbeiträge). Raum für Kreativität und Entfaltung, für Rückzug und Entspannung.

Vor allen Dingen aber bekommen wir Gelegenheit, Teil des hiesigen Freilerner-Netzwerks zu werden, gezielt Kontakte zu knüpfen und Einblicke in verschiedene Lebenswelten zu erhalten, auch das Land und seine Gepflogenheiten besser verstehen zu lernen. So können wir weiter an unserem eigenen Netzwerk arbeiten und an unserer Vision einer zukünftigen Lebensgestaltung.

Das neue Jahr beginnt vielversprechend…