Tanhā – Der Drang

  1. Dem Trägen wächst der Drang wie Schlinggewächs; in Süchten
    Springt ruh’los er umher, gleichwie der Aff‘ nach Früchten.
  2. Wen dieser scharfe Drang, der giftige, erfaßt,
    Wie Unkraut wuchernd, wächst ihm Leid und Sorgenlast.
  3. Doch wer den bösen Drang in sich gemeistert hat,
    Dem rinnt die Sorge ab, wie Tau vom Lotusblatt.
  4. Ich rat‘ euch, die ihr steht vor meinem Angesicht:
    Wie Unkraut rodet aus den Lebensdrang, daß nicht
    Der Tod euch wieder, wie der Strom das Schilfrohr, bricht!
  5. Gefällter Baum wächst nach, wenn noch die Wurzel lebt;
    Solang‘ noch Drang besteht, das Leid sich neu erhebt.
  6. Wo noch die sechsunddreißigfache Gier vorhanden,
    Den Toren macht die Flut der Leidenschaft zuschanden.
  7. Die Ströme fließen überall, das Unkraut sprießt;
    Die Wurzel grab ihm ab mit Weisheit, wo du’s siehst!
  8. Wer nur Vergnügen sucht und giert nach Sinnesfreuden,
    Muß immer wieder durch Geburt und Sterben leiden.
  9. Vom Drang befall’ne Wesen müssen lange Zeit,
    Wie Hasen in der Schlinge, dulden schweres Leid.
  10. Der Drang bringt Leid; drum soll der Bhikkhu ihn vertreiben,
    Wünscht er von Leidenschaft für immer frei zu bleiben.
  11. Wer, obwohl frei von Lust, nach Lust doch wieder schmachtet,
    Gleich dem Befreiten, der nach Ketten wieder trachtet.
  12. Viel stärk’re Fesseln als der Strick, der Block, das Eisen
    Sind Sorgen um Besitz, um Weib und Kind dem Weisen;
  13. Sie sind zwar biegsam, doch man bricht sie schwer entzwei.
    Wer sie zerbrach, der ist, als Mönch, von Wünschen frei.
  14. Wer schwimmt im Strom der Lust, der hält sich gleich den Spinnen
    Im Netz; doch wer’s zerreißt, wird allem Leid entrinnen.
  15. Gib auf, was war, was ist, was kommt, gib alles her!
    Bist du allseitig frei, gibt’s keine Wiederkehr.
  16. Wer schönheitstrunken nur der Lust sich überläßt,
    Dem wächst der Lebensdrang, die Fesseln werden fest.
  17. Wer klaren Geistes übt, das Unschöne zu schauen,
    Wird Māras Fesseln einst, vom Drang befreit, zerhauen.
  18. Er ist ans Ziel gelangt, befreit von Drang und Schwächen;
    Im letzten Leib konnt‘ er des Lebens Dornen brechen.
  19. Wer allen Drang besiegt, die Wünsche all‘ verbannt,
    Wem Buddhas Worte und ihr Sinn sind wohl bekannt,
    Der trägt den letzten Leib, wird weisheitsgroß genannt.
  20. Besiegt ist alles, selbst erkannt, ganz bin ich rein,
    Entsagend, dranglos, frei; wer könnt‘ mein Lehrer sein?
  21. Die Lehre ist die beste aller Gaben,
    Sie wird am allerköstlichsten dich laben.
    Die Lehre ist die höchste aller Freuden;
    Die Weltabkehr vernichtet alle Leiden.
  22. Reichtum verdirbt den Mann, der nicht ans Jenseits denkt,
    Weil, danach dürstend, er sich selbst, wie andre, kränkt.
  23. Unkraut verdirbt das Feld, den Menschen das Begehren;
    Wer Gierlose beschenkt, wird seine Früchte mehren.
  24. Unkraut verdirbt das Feld, den Mann verdirbt das Hassen;
    Geschenk an Friedliche wird Früchte wachsen lassen.
  25. Unkraut verdirbt das Feld, den Menschen die Verblendung;
    Doch, Weisen dargebracht, trägt reiche Frucht die Spendung.
  26. Unkraut verdirbt das Feld, den Mann das Wunschverlangen;
    Wer Wunschlose beschenkt, wird reiche Frucht empfangen.

 

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