Brāhma – Der Brahmane

  1. Strom halt‘ tapfer auf, wirf weg die Lust, Brahmane,
    Sieh alles, wie’s vergeht, und schaue das Nirvana!
  2. Bist du ans Ziel gelangt, Brahmane, zwiefach gehend,
    Dann fallen von dir ab die Fesseln; du wirst sehend.
  3. Geht ihn das Diesseits und das Jenseits nichts mehr an,
    Von Furcht und Fesseln frei, der ist ein heil’ger Mann.
  4. Wer wunschlos sich versenkt und seine Pflicht getan,
    Von Fesseln frei, am Ziel, der ist ein heil’ger Mann.
  5. Die Sonne glänzt am Tag, der Mond glänzt in der Nacht,
    Der Weise, wenn versenkt, der Held in Waffenpracht;
    Doch Tag und Nacht erglänzt des Buddhas Geistesmacht.
  6. Brahmane heißt: vom Übel frei; ein Samana (Asket, Mönch):
    Der ruhig geht; vom Schmutz erlöst: Pabbājita.
  7. Brahmanen schlage nicht! Brahmane, wehr‘ dich nicht!
    Weh dem, der einen schlägt! Weh dem, der widerficht!
  8. Brahmane, nicht gering acht‘ die Enthaltsamkeit!
    Gib auf die Angriffslust! So schwindet alles Leid.
  9. Kein Unrecht tun in Werk, in Worten und Gedanken!
    Ein echter Brahmana darf hierin niemals schwanken.
  10. Wer uns das Buddhawort erklärt, der sei uns teuer!
    Man ehre ihn, wie der Brahmane ehrt das Feuer.
  11. Brahmane wird man nicht durch Haartracht oder Ahnen;
    Nur die in Recht und Wahrheit leben, sind Brahmanen.
  12. Wozu das Haargeflecht? Wozu das Fell, der Putz?
    Du Tor bist außen fein und innerlich voll Schmutz.
  13. Den Mann im Lumpenkleid, voll Adern, abgezehrt,
    Der sich im Wald versenkt, halt‘ als Brahmanen wert!
  14. Brahmane ist nicht der, der sich berufen kann
    Auf Ahnen, eingebildet und ein reicher Mann;
    Wer arm und wunschlos, den sieh als Brahmanen an!
  15. Wer alle Ketten brach und nichts zu fürchten hat,
    Der Freigeword’ne ist Brahmane in der Tat.
  16. Brahmane ist nur, wer von Bindung frei sich machte,
    Die Kette brach, den Riegel hob und dann erwachte.
  17. Brahmane heiße, wer unschuldig Schimpf und Strafe
    Erträgt und die Geduld gebraucht als starke Waffe.
  18. Brahmane heiße, wer den Zorn hat abgelegt
    Und, wunschlos, sittsam, fest, den letzten Körper trägt.
  19. Brahmane heißt, von dem die Lust abgleitet glatt
    Wie von der Nadel Senf, wie Tau vom Lotusblatt.
  20. Brahmane heißt, wer hier des Leidens Ende fand,
    Die Last abwarf und alles abschnitt, was ihn band.
  21. Die, weisheitstief und klug, den Weg und Abweg kennen,
    Ans Ziel Gelangte, sie will ich Brahmanen nennen.
  22. Brahmane heißt, wer, heimatlos, Verkehr nicht pflegt
    Mit Pilgern und mit Volk und wenig Wünsche hegt.
  23. Brahmane heißt, wer niemals eine Waffe trägt,
    Ob schwach, ob stark, kein Wesen schlagen läßt noch schlägt.
  24. Brahmane heißt, wer gegen Feinde sich nicht wehrt,
    Bei Heft’gen ruhig bleibt, bei Gier’gen nicht begehrt.
  25. Brahmane heißt, bei wem, wie an der Nadel Spitzen
    Kein Senfkorn, so nicht Gier und Haß und Stolz bleibt sitzen.
  26. Brahmane heißt, wer klug und wahr die Worte setzt
    Und niemals rauh und grob, so daß er nicht verletzt.
  27. Wer nichts nimmt ungeschenkt, ob kurz, ob lang, ob klein,
    Ob groß, ob gut, ob schlecht, der mag Brahmane sein.
  28. Wer nicht nach dieser Welt und nicht nach jener trachtet,
    Wunschlos und fesselfrei, sei als Brahman‘ erachtet.
  29. Wer wunschlos, weisheitsstark den Zweifel überwand
    Und zum Nirvana kam, sei Brahmana genannt.
  30. Wen nicht Verdienst noch Schuld hier bindet, wer ganz rein
    Und ohne Sorgen lebt, der mag Brahmane sein.
  31. Brahmane heißt, wer, wie der Mond, so rein und klar ist
    Und alles Strebens nach der Welt Vergnügen bar ist.
  32. Wer gänzlich überwand die Wandrung durch die Welten,
    Der sich versenkt und den nicht Wunsch noch Zweifel quälten,
    Der ganz erloschen ist, mag als Brahmane gelten.
  33. Brahmane heißt, wer hier auf Sinnenlust verzichtet
    Und, heimatlos, den Lust- und Lebenstrieb vernichtet.
  34. Brahmane heißt, wer hier den Lebensdurst vernichtet
    Und, heimatlos, auf Durst und Leben ganz verzichtet.
  35. Brahmane heißt, wer sich von aller Bindung trennt,
    Bindung an Menschen und an Götter nicht mehr kennt.
  36. Brahmane heißt, wer frei von Lust und Leid sich hält,
    Kühl, ohne Leidenschaft, die Welt besiegt als Held.
  37. Wer Werden und Vergeh’n der Wesen in den Welten
    Kennt, haftensfrei, erwacht, mag als Brahmane gelten.
  38. Der, dessen Weg nicht Götter, Engel, Menschen kennen,
    Der weltfrei, heilig ist, mag sich Brahmane nennen.
  39. Brahmane heißt, wer nichts besitzt und nichts vermißt,
    Auch nichts erhofft, wer arm, doch ohne Wünsche ist.
  40. Den sieghaft starken Held, den wunschlos großen Weisen,
    Den voll Erwachten will ich als Brahmanen preisen.
  41. Wer früh’re Leben kennt, Himmel und Unterwelten,
    Ein Wissensreicher, der des Daseins Ende fand,
    Ein ganz vollkomm’ner Mensch mag als Brahmane gelten.

 

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